Jean-Honoré Fragonard, Junges Mädchen mit Katze, um 1770Zurück

Jean-Honoré Fragonard
Junges Mädchen mit Katze
Um 1770

Öl auf Leinwand
42 x 33 cm
Museum Langmatt, Baden
Inv.-Nr. 69

 

Wie möchte man das niedliche Tierchen ansprechen? Als Katze, wie es der Bildtitel nahelegt? Das auffallend runde Köpfchen lässt auch an ein kleines Bärchen denken, an einen Hund vielleicht oder ein Stofftier. So ganz katzenhaft will das Tierchen nicht erscheinen. Als hybrides Wesen verleitet es zu vielfältigen Assoziationen. Immer wieder bleiben wir an den tintenblauen Kulleraugen hängen, die mit weissen Glanzlichtern besonders plastisch hervortreten. Die roten Lippen erinnern an jene eines Kleinkinds. Wenngleich die Signale in verschiedene Richtungen weisen, nimmt uns das kleine Wesen durch seine höchst liebenswerte, kuschelige Ausstrahlung gefangen. Darauf deutet nicht zuletzt auch das Weiss des Pelzes, die Farbe der Unschuld.

Natürlich nimmt die junge Frau den grössten Teil des Bildes ein, aber unsere Aufmerksamkeit richtet sich immer wieder auf ihre stille und innige Zuwendung zum herzigen Tierchen. Wie mag die Beziehung zwischen beiden beschaffen sein? Was war wohl der Grund dafür, dass sie es vom Boden aufhob, um es liebevoll im Arm zu halten? Im Bild finden sich keine Attribute oder weitere Motive im Hintergrund, die eine Geschichte nahelegen würden, wie so oft der Fall in den Bildern jener Epoche, dem Rokoko. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erreichte der Feudalismus in Europa eine dekadente Phase, die bekanntlich in der Französischen Revolution 1789 ihr Ende fand. Das Bild von Fragonard entstand rund zwanzig Jahre vorher. Die auffällige Nacktheit der Frau – in ihrer Zuwendung zum Tierchen zeigt sie eine entblösste Brust – war in dieser Epoche keine Seltenheit und steht für die Darstellung von Erotik, wie sie der Adel seinerzeit inszenierte und in Bilder übersetzen liess. Spiel-, Tanz- und Versteckspiele in arkadischer Natur, weit weg vom strengen höfischen Zeremoniell waren Ablenkung und Ventil.

Ursprünglich besass das Bild ein ovales Format und war etwas grösser. Als man es zu unbekanntem Zeitpunkt zu einem rechteckigen Format verkleinerte, wurde es offenbar auch bearbeitet, vor allem das Tier. 1988 bis 1990 wurde die unvorteilhafte Übermalung rückgängig gemacht und der originale Zustand wiederhergestellt. Das wiederum bedeutet, dass die Browns ein etwas anderes Bild vor sich hatten, als sie es 1919 in der Galerie Wildenstein erwarben. Sammlungsgeschichtlich erstaunt, dass Sidney und Jenny Brown nicht weniger als acht impressionistische Bilder (darunter auch mehrere Werke von Cézanne und Renoir) veräusserten, um jenes von Fragonard zu erwerben! Gross muss die Begeisterung gewesen sein. Aus heutiger Sicht ein ökonomisch wenig vorteilhafter Tausch. Aber genau in solchen Entscheidungen liegt die Freiheit von Sammlern, die in ihrem Vorgehen unabhängig sind und sich zu keinem Zeitpunkt rechtfertigen müssen. Ganz im Gegensatz etwa zu öffentlichen Museen, deren Sammeltätigkeit innerhalb eines klar definierten Konzepts stattfindet und stets sorgfältig recherchiert und begründet sein muss.

Markus Stegmann in: «Herzkammer», Museum Langmatt 2020